Zum Inhalt springen
Antonio Guillem, Shutterstock.com

Vollzeit zufrieden in der Teilzeitausbildung!

So lassen sich Familie und Ausbildung besser vereinbaren

Junge Eltern oder zuständig für die Pflege von Angehörigen? Kein Grund, auf eine gute Ausbildung zu verzichten! Mit der Teilzeitausbildung bleiben Auszubildende im Beruf und bekommen für ihre Ausbildung eine Vergütung.

Wenn die Herausforderungen von Familie und Berufsausbildung zusammenkommen, wenn Auszubildende gerade Nachwuchs bekommen haben oder Angehörige pflegen, bleibt oft kaum noch Zeit zu atmen.

Knappe Zeit und knappe Kräfte können dabei auch die Wahl der Ausbildung beeinflussen oder einen Abschluss verhindern. Das muss nicht sein: Es gibt die Teilzeitausbildung und zwar in allen Ausbildungsberufen des dualen Systems!

Seit 2005 ist die zeitlich flexible Teilzeitausbildung im Berufsbildungsgesetz (BBiG) verankert. Unternehmen und Auszubildende profitieren gleichermaßen von diesem Modell:

  • Junge Eltern haben dank der reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit mehr Zeit für ihre Kinder.
  • Unternehmen erschließen sich das Potential einer hochmotivierten und verantwortungsbewussten Zielgruppe und sichern so ihren Fachkräftenachwuchs.

Für wen ist eine Berufsausbildung in Teilzeit möglich?

In der neuen Fassung des (BBiG) 2020 wurde durch § 7a der bisherige Adressat*innenkreis erweitert. Neben Alleinerziehenden oder Personen, die Angehörige pflegen, können nun auch Menschen mit Behinderungen oder lernbeeinträchtigte Personen von einer Teilzeitberufsausbildung profitieren. Auch Geflüchteten, die neben einer Ausbildung erwerbstätig sind, um die Familie finanziell zu unterstützen, kann dieses Format der Ausbildung dienen. Der neue Gesetzestext ist so formuliert, dass alle Interessierten, diesen Ausbildungsweg wählen können. Die Voraussetzung ist wie bisher, dass sich der ausbildende Betrieb und Auszubildende einig sein müssen.

Die zwei Varianten der Teilzeitausbildung

  • Gleichbleibende Ausbildungszeit: Für Auszubildende unter 18 Jahren verkürzt sich die wöchentliche Arbeitszeit. Die gesamte Ausbildungszeit verlängert sich dabei jedoch nicht. Die Arbeitszeit beträgt in diesem Fall mindestens 25 Stunden, wobei die Berufsschulzeit angerechnet wird. (Für Volljährige ist noch offen, wie die Schulstunden angerechnet werden.)
  • Verlängerte Ausbildungszeit: Wer weniger als 25 Stunden pro Woche arbeiten will, muss in Kauf nehmen, dass sich dadurch die Ausbildungszeit um maximal das 1 1/2-fache der regulären Ausbildungsdauer verlängert. Die Regelung der Gesamtarbeitszeit ist jedoch vom Einzelfall abhängig. Genaue Infos gibt es auch von der zuständigen Stelle. Oder gerne bei eurer ver.di Jugend vor Ort.

ACHTUNG: Die Berufsschulzeit kann bei keiner Variante verkürzt werden, Auszubildende müssen den Unterricht also komplett und in Vollzeit besuchen!

Rechtliches
Den rechtlichen Rahmen für die Ausbildung legt das BBiG fest. Darin regelt § 7a die Verkürzung und Verlängerung der Ausbildungszeit:

Abs. (1) Es ist grundsätzlich möglich, eine Berufsausbildung in Teilzeit durchzuführen. Im Berufsausbildungsvertrag ist für die gesamte Ausbildungszeit oder für einen bestimmten Zeitraum der Berufsausbildung die Verkürzung der täglichen oder der wöchentlichen Ausbildungszeit zu vereinbaren. Die Kürzung der täglichen oder der wöchentlichen Ausbildungszeit darf nicht mehr als 50 Prozent betragen.

Abs. (2) Die Dauer der Teilzeitberufsausbildung verlängert sich entsprechend, höchstens jedoch bis zum Eineinhalbfachen der Dauer, die in der Ausbildungsordnung für die betreffende Berufsausbildung in Vollzeit festgelegt ist. Die Dauer der Teilzeitberufsausbildung ist auf ganze Monate abzurunden.

Abs. (3) Auf Verlangen der Auszubildenden verlängert sich die Ausbildungsdauer auch über die Höchstdauer hinaus bis zur nächsten möglichen Abschlussprüfung.

Abs. (4) Der Antrag auf Eintragung des Berufsausbildungsvertrages in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse für eine Teilzeitberufsausbildung kann mit einem Antrag auf Verkürzung der Ausbildungsdauer verbunden sein.

Gut zu wissen
Auch nach dem Ausbildungsstart kann die Ausbildung noch an die aktuelle Situation angepasst werden. Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) empfiehlt, die Ausbildungszeit auf nicht weniger als 25 Stunden pro Woche zu kürzen (Ha-Empfehlung 129/2008).

Urlaubsanspruch und Vergütung
Natürlich haben auch Teilzeit-Azubis Anspruch auf Urlaub und Vergütung! Der Urlaubsanspruch richtet sich nach der Anzahl der festgelegten Arbeitstage. Wer z.B. fünf Tage pro Woche im Betrieb bzw. in der Berufsschule ist, behält den vollen Urlaubsanspruch.

Problematisch ist die Vergütung: In der Praxis wird sie manchmal anteilig gekürzt – zum Nachteil der Auszubildenden. Dazu haben wir zwei gute Argumente:

  1. Die Vergütung der Ausbildung gilt ohnehin nie als Arbeitsentgelt, sondern immer als Unterstützung, damit ihr eure Ausbildung machen könnt.
  2. Die Sonderform der Teilzeitausbildung soll Auszubildenden in einer besonderen Lebenssituation helfen.

Falls das nicht überzeugt und das niedrigere Gehalt nicht reicht, um über die Runden zu kommen, unterstützt in der Ausbildungszeit der Staat (bitte auf Fristen für entsprechende Anträge achten).

Übrigens: Mitglieder bekommen kostenlose Rechtsberatung von ver.di – und auch Rückendeckung, wenn sie ihre Rechte geltend machen wollen!

Alle Infos hat die JAV!
Die JAV vertritt die speziellen Interessen von Auszubildenden in Betrieben und Dienststellen. Auch und gerade im Fall einer Teilzeitausbildung ist sie also DIE erste Anlaufstelle für Auszubildende. Sie kennt das beste Vorgehen, um optimale Ausbildungsbedingungen zu sichern.

Aber nicht nur das:

  • Die JAV weiß auch, wie der Ausbildungsvertrag genau aussehen muss. Die Besonderheiten einer Teilzeitberufsausbildung müssen nämlich unter „sonstigen Vereinbarungen“ vertraglich festgehalten werden.
  • Die JAV wirkt auf Betriebsvereinbarungen hin und bestimmt damit die Regeln in Betrieben und Dienststellen mit.
  • Die JAV kontrolliert, ob das BBiG eingehalten wird, dass Auszubildende also z. B. keine Überstunden machen oder dass Teilzeitregelungen eingehalten wird. Stellt sie fest, dass gegen geltendes Recht oder Vorschriften verstoßen wird, muss sie sich zunächst an den Betriebs- bzw. Personalrat wenden. Der fordert dann die Einhaltung der Rechte beim Arbeitgeber ein. Betriebs- und Personalrat bestimmen übrigens auch mit, wenn der Arbeitgeber generell nur noch verkürzt ausbilden will.
  • Die JAV entscheidet bei der Einstellung mit und achtet dabei auf Gleichberechtigung. Mit ihr haben Auszubildende also sehr gute Chancen, mit „berechtigten Interesse“ ihre Wunschausbildung machen zu können.

Wir wünschen euch eine erfolgreiche JAV-Arbeit und Ausbildungszeit!
Eure ver.di Jugend

Drucken
Schliesse Suche

Was suchst du?